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16.04.2019

Interaktive Geschichte #Floflüchtet - Dreimal schnelle Beine

Zu verarbeitende Worte:
#Zoo, #Bärenangriff, #Wald, #Grillieren, #eiskalt

Bevor die Bewohner des Haus aus ihrem Rausch erwachen, um den nächsten Joint herumzureichen, wecke ich dich aus deinem angenehmen Schlaf. Etwas dreist nutzen wir das schlafende Volk aus und stellen uns ein leckeres Lunchpaket für unterwegs zusammen. Auf leisen Sohlen schleiche ich mich hinaus und versuche die quietschenden Dielen des alten Hauses so wenig wie möglich zu belasten. Behutsam öffne ich so manche Tür, schließe sie hinter uns so langsam im Zeitlupentempo, dass du in deinem Sessel die Augen verdrehst. Ich selbst wage es kaum zu atmen, bis ich auch die Haustür hinter mir geschlossen habe. Gerade pumpe ich die feuchte, kühle Morgenluft tief in meine Lungen, als mich ein dumpfer Knall aufschrecken lässt. Ich drehe mich um und sehe, was ich angestellt habe. Da habe ich dir doch glatt die Tür vor der Nase zugemacht, so dass du aus deinem Sessel gefallen bist. Sorry! Insgeheim denke ich aber, an den letzten Aufprall, als du mir die Tour auf dem Rastplatz im Auto versaut hast und so setze ich ein hämisches Grinsen auf.
Wenig später sind wir unterwegs. Erstaunlicherweise fühle ich mich fit wie schon lange nicht mehr und so laufen wir querfeldein in Richtung Deutschland. Auch ein kleiner Zaun kann uns hier auf den letzten niederländischen Kilometern nicht mehr aufhalten. Rückwärts laufe ich den kleinen Hügel hinauf, beobachte dich, wie du dich mit deinem Sessel abmühst, um über den Maschendrahtzaun zu kommen. Ich muss schmunzeln, als ich sehe, wie du deine Sitzgelegenheit verteufelst, sie abwechselnd anfeuerst und antreibst. Doch das Lächeln in meinem Gesicht gefriert, als ich ins Leere trete. Ich stürze, mein Leben rast an meinem inneren Auge vorbei. Nun gut, nicht wirklich mein ganzes Leben, denn dafür reicht die Sturzzeit nicht aus. Im nächsten Augenblick raubt mir eiskaltes Wasser den Atem. Meine Muskeln ziehen sich augenblicklich zusammen, sodass ich kämpfen muss, um wieder an die Wasseroberfläche zu kommen. Mehr plantschend als schwimmend erreiche ich mühevoll das steinige, steile Ufer. Mit letzter Kraft ziehe ich mich nach oben und bleibe schwer atmend und mit geschlossenen Augen dort liegen. Ein eigenartiger Geruch nach feuchter Erde und abgestandenem Wasser erfüllt mich. Doch da ist noch etwas anderes. Etwas Wildes, Bedrohliches. Eine Urangst erfasst mich, doch noch bin ich nicht in der Lage meine Augen zu öffnen. Rufe, nein Schreie dringen plötzlich an mein Ohr. Mühsam öffne ich erst ein, dann das zweite Auge. Gestikulierend und panisch schreiend stehst du auf der Sitzfläche des gemütlichen Ohrensessels, hältst dich mit einer Hand an der Rückenlehne fest und deutest auf etwas, dass hinter mir außerhalb meines Sichtfeldes zu sein scheint. Ein tiefes Brummen dringt an mein Ohr und obwohl ich dieses Geräusch noch nie gehört habe, richten sich meine Nackenhaare auf und mein Körper sendet ein Alarmsignal. Eine Angst, die so alt ist wie die Menschheit selbst, kriecht in jede meiner Zellen. Blitzschnell richtet sich mein Körper auf Todesangst aus, ohne dass ich die Gefahr bisher selbst gesehen habe. Ich drehe mich auf den Bauch und richte mich auf einen nahen, großen Stein gestützt auf. Im nächsten Augenblick wünschte ich meine 180 Zentimeter wären so klein wie eine Maus, um mich verkriechen zu können. Dort vor mir, keine fünf Meter von mit entfernt, schaut mich ein ausgewachsener Braunbär aus seinen für so ein großes Tier recht kleinen Augen an. 
“Bärenangriff!”, schießt es mir durch den Kopf. 
Während alles an mir Hals über Kopf flüchten möchte und nach einem Ausweg sucht, befiehlt mein Verstand den absoluten Stillstand. Ich rühre mich nicht, beobachte den Bären ohne ihm direkt in die Augen zu schauen und ihn dadurch womöglich zum Angriff zu verleiten. Plötzlich sehe ich etwas über meinen Kopf hinwegfliegen, wie in Zeitlupe blicke ich dem Gegenstand ungläubig hinterher, der nur einen Meter neben dem wilden, gefährlichen Tier liegen bleibt und es ablenkt. Die Verwirrung scheint auch den mächtigen Braunbären erfasst zu haben, der seinen Kopf nun zwischen mir und dem Ding dort neben ihm hin- und herpendeln lässt. Im gleichen Moment erkenne ich das Seil, dass auf der anderen Seite an einer Mauer hinabgelassen wird und nutze die kurze Ablenkung des Wildtieres. Ich stürme los, schlage Haken, um die verstreut herum liegenden Felsen und Baumstämme. Die Panik treibt mich an. Nenn mich den Usain Bolt des Bärenkäfigs! 
Wenige Sekunden später liege ich wieder auf dem Rücken und höre mir die Schimpfkanonaden eines Zoowärters an. Doch so richtig nehme ich die Worte gar nicht war, denn ich kann nur an eins denken:
„Hast du heute Morgen tatsächlich einen ganzen Serrano-Schinken mitgehen lassen?”
Als ich das Wort „Polizei“ zu oft höre, nehme ich die Beine wieder in die Hand und türme erneut. Ich stoppe erst, als ich den Zoo hinter mir gelassen habe und mir sicher bin, dass mir niemand mehr folgt. Hier warte ich und bin froh als du wenige Minuten später bei mir eintrittst. So ganz alleine möchte ich meine Flucht dann doch nicht fortsetzen.
Zwei Stunden später befinden wir uns wieder in Deutschland. Meine Kleidung ist wieder fast trocken, doch sie stinkt gewaltig nach dem abgestandenen Wasser im Bärenkäfig. So möchte ich wirklich keiner Menschenseele begegnen und auch du vergrößerst naserümpfend den Abstand zu mir. Wenig später erreichen wir einen kleinen Bauernhof. Saubere Wäsche hängt dort in der Sonne. Sie scheint in meiner Größe zu sein und so beschließe ich ein Tauschgeschäft. Zum dritten Mal sehe ich uns danach im Schweinsgalopp flüchten. In einem nahen Wald verstecken wir uns. Nur mühsam kommst du hier mit deinem schwebenden Beobachtungsposten durch die dicht stehenden Bäume. Immer wieder muss ich Äste aus dem Weg biegen. Der Wald wird immer dichter und dunkler. Tannenzweige zerkratzen mein Gesicht, Äste greifen nach mir und drohen mich festzuhalten. Ich schiebe, ziehe, drücke deinen Sessel vor mir her und benutze ihn als Rammbock. Plötzlich gibt der Widerstand nach und ich stolpere dich vor mir herschiebend auf eine Lichtung. Ich hoffe, du hast nicht zu viel abbekommen. Und jetzt schau nicht so! Ich habe nie gesagt, dass eine Flucht angenehm ist. Als wir uns orientieren, steigt uns ein würziger Geruch in die Nase. Schlagartig läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Auf der anderen Seite der Lichtung steigt eine leichte Rauchwolke auf. Entfacht sich dort gerade ein Waldbrand und sind wir somit wieder in Lebensgefahr? Doch zu meiner Erleichterung erkenne ich einen kleine Feuerstelle und zwei Zelte. Vielleicht können wir die dortigen Camper ja neugierig machen und sie laden uns zum Grillieren ein. „Grillieren“? Ich muss wohl auf den Kopf gefallen sein. So los! Setz dein schönstes Lächeln auf. Der Grill wartet auf uns.

Admin - 08:58:16 @ Gedankenflucht, Floflüchtet | Kommentar hinzufügen